Nachtzug im Test: Im Schlaf nach Amsterdam fahren | Basler Zeitung

2022-12-08 11:36:19 By : Ms. Eva Wong

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Die Nachtzüge werden gerade Opfer des eigenen Erfolgs: Auf Gleis 15 im Hauptbahnhof Zürich wartet statt eines modernen Doppelstöckers ein Schlafwagen, den man eher weit hinten im Depot vermutete. Das rollende blaue Hotel mit dem roten Streifen vom Typ WLABmz AB33s gehört zum Wagenpark der deutschen Firma RDC Asset und wird von den SBB gemietet. Eine Übergangslösung, bis Nightjet-Betreiber ÖBB auch auf neuen Strecken modernes Rollmaterial einsetzen kann. Freilich, das anfängliche Unbehagen schlägt bald in nostalgische Gefühle um: Das Zweier-Abteil (das dritte Bett bleibt eingeklappt) ist geräumiger als eine Economy-Kabine in den Siemens-Doppelstöckern, die nachts etwa zwischen Zürich und Hamburg verkehren. Es ist kein Problem im charmanten Oldie zwei kleine Koffer unterzubringen. Waschbecken, Schrank, Sessel, Tischchen – alles da!

Nur für die Kletterpartie ins obere Bett braucht es etwas Mut und Geschick. Wie zu Hause schliesst man die Tür zum ebenerdigen schmalen Flur mit einem richtigen Schlüssel, der vor dem Aussteigen von der Nachtstewardess resolut wieder eingesammelt wird.

Der Nightjet nach Amsterdam verlässt Zürich kurz vor 22 Uhr und trifft anderntags kurz nach 9 Uhr in der Hauptstadt der Niederlande ein. Route: Zürich – Basel – Freiburg i. Br. – Frankfurt am Main – Köln – Düsseldorf – Utrecht – Amsterdam Central Station. Rückfahrt ab Amsterdam um 20.30 Uhr. Der Nightjet nach Amsterdam wird von der SBB in Kooperation mit der ÖBB, NS und DB betrieben und führt Schlaf-und Liegewagen sowie IC-Wagen mit Sitzplätzen.

Buchen: über sbb.ch und an den Verkaufsstellen.

Weitere Nachtzugverbindungen ab der Schweiz: Zürich –Linz – Wien; Zürich –Villach – Ljubljana – Zagreb; Zürich –Graz; Zürich – Budapest; Zürich –Linz – Prag; Zürich – Basel – Frankfurt am Main – Hamburg; Zürich – Basel – Frankfurt am Main – Berlin

Neue Verbindung: Ab Fahrplanwechsel im Dezember 2022 Zürich – Basel – Leipzig – Dresden – Prag. Der Zug verkehrt als Euronight der Tschechischen Bahnen, mit je einem Schlaf-, Liege- und Sitzwagen. Die bestehende Nachtverbindung nach Prag über Österreich bleibt .

Mehr Kapazität nach Deutschland: Ab Fahrplanwechsel verkehrt je ein eigenständiger Nightjet von Zürich über Basel nach Hamburg respektive von Zürich über Basel nach Berlin.

Luka Maximilian Struzka fährt die Strecke von Zürich über Basel, Frankfurt am Main, Köln nach Utrecht und Amsterdam regelmässig. Der 35-jährige Tscheche ist Zugchef und Serviceleiter auf der seit 12. Dezember 2021 bestehenden Nachtverbindung in die niederländische Hauptstadt. In der Nacht zuvor reiste er mit dem «Wiener Walzer» von der Donau nach Zürich, in der nächsten Nacht beschliesst er die Dreiecksfahrt auf der Strecke Amsterdam – Wien.

Arbeitet er gerne, wenn andere schlummern? «Ich liebe diesen Job», sagt der Familienvater, «Ich wollte immer nur für die Eisenbahn arbeiten». Als Serviceleiter bleibt Struzka die ganze Nacht wach, er macht zweimal eine Viertelstunde Pause – mehr Ruhezeit liegt nicht drin.

Neben ihm arbeiten in den zwei Schlaf- und drei Liegewagen nach Amsterdam noch vier weitere Kolleginnen und Kollegen, als Nachtsteward und Housekeeper. Letztere dürfen sich für sechs Stunden zur Ruhe betten, dafür müssen sie nach der Ankunft in Amsterdam Central Station die Wagen putzen und die Betten neu beziehen. Struzka dagegen checkt in einem Hotel ein. Er ist neben seiner Chefrolle auch zur Basisarbeit in einem Liegewagen eingeteilt. Dort betreut er die Passagiere, weckt sie und reicht das Frühstück. Obwohl das Tabblett mit dem Zmorge auf holländischem Terrain kurz nach Arnhem ins Abteil gebracht wird, fühlt man sich ein wenig wie in Felix Austria: Die Semmel erinnern an ein Wiener Café, auf der Butter und dem Joghurt prangt der Schriftzug einer Salzburger Molkerei.

Wer abends Hunger verspürt, muss sich nicht mit den Nüssli begnügen, die neben zwei Sekt-Piccolos und Wasser im Abteil warten. Struzka und sein Team wärmen in der Mikrowelle auf Wunsch Gulaschsuppe, Spaghetti Bolognese oder Erbsenreis mit Poulet. Eine eigentliche Bordgastronomie mit Bar und Sternenhimmel gibt es in den Nachtzügen schon lange nicht mehr, sie ist nicht rentabel.

Ab Ende 2022 wird die ÖBB die Nightjets der neuesten Generation einführen – mit kleinen Suiten in den Schlafwagen, Toiletten selbst in der EconomyClass und einem Niederflureinstieg. Gerade investieren die Österreicher 500 Millionen Euro ins Nachtzug-Business, das sie vor sechs Jahren unter der Marke Nightjet neu aufgebaut hatten. Die ÖBB füllte die Lücke, die nach dem Citynightline-Ausstieg der DB entstanden war. Schweizer und Deutsche sind nun wie Franzosen, Holländer oder Italiener als Kooperationspartner an Bord. Die Klimadiskussion befeuert das Revival der Nachtzüge. Das spüren Reisende, die versuchen, in der Hochsaison im Sommer noch ein fahrendes Bett zu kriegen. Viele Züge sind bereits ausgebucht. 

In der Innenstadt geht an sommerlichen Weekends die Post ab. Drei Vorschläge,um dem Trubel an den Grachten ein Schnippchen zu schlagen.

Jordan: Markt und Mäuse

Vor 90 Jahren erschütterten schwere Arbeiterunruhen das Quartier im Nordwesten von Amsterdam, jetzt herrscht hier die Leichtigkeit des Seins. Künstlerinnen und Kreative wohnen in den hübschen Backsteinhäuschen, bummeln über den Nordermarkt und hängen in den Cafés ab. Stoisch schaut der Wetterhahn auf dem Turm der Norderkerk dem Treiben in den Gassen zu. «Make Cheese no War» heisst es in einem mit einer ukrainischen Flagge dekorierten Schaufenster. Das Geschäft verkauft Mäusefiguren in allen Formen und Farben und ist typisch für die ausgefallenen Spezialitätenshops Jordans. Der Stadtteil zwischen Prinsen- und Singelgracht ist nicht weit vom touristischen Epizentrum entfernt, aber die lauten Menschenhorden, die an Wochenenden in Amsterdam einfallen, schaffen es nicht bis Jordan.  iamsterdam.com

Am Rand von Jordan, gegenüber dem Anne-Frank-Museum, wartet eine Institution, die es nur in den Niederlanden geben kann: Das Amsterdam Tulip Museum erzählt alles, was Sie schon immer über die Tulpe wissen wolltens. Die Blume, die wie Edamer Käse und Windmühlen für holländische Tradition steht, wurde einst von den Hängen des Himalayas an den Hof von Konstantinopel gebracht und landete im 16. Jahrhundert in Holland. Heute ist die Zucht von Tulpen und Zwiebeln eine einträgliche Industrie. Vor allem auf den sandigen Böden im Norden erstrecken sich Tulpenfelder wie gigantische Farbenteppiche. Aber schon im Mai ist die Pracht verblüht, die Tulpen werden abgemäht, die Zwiebeln geerntet. In den engen Räumen des Museums befindet sich auch ein Shop, in dem man alles Tulpenmässige kaufen kann – vom Stickset bis zur klassischen holländischen Tulpenvase. amsterdamtulipmuseum.com

Mövenpick Hotel Amsterdam: Kreuzfahrtschiffe und Schweizer Käse

Gestern ankerte die gute alte «Deutschland» vor dem Haus, heute ist die brandneue «Rotterdam» hier: Die Gäste im Mövenpick Hotel Amsterdam City Centre geniessen direkten Blick auf den Hafen und das Kreuzfahrtterminal. Das typische Stadthotel hat fast 500 Zimmer und General Manager Remco Groenhuijzen ist glücklich, dass der Betrieb nach zwei schwierigen Jahren wieder läuft. Das Hotel gehört zum Accor-Imperium, aber die Marke Mövenpick entsprang bekanntlich schweizerischen Wurzeln. Und so locken auf dem Frühstücksbuffet Birchermüesli, «Swiss Rosti» und zwei Sorten Schweizer Käse. Aber Amerikaner, Briten und Mitteleuropäer, die Hauptkundschaft im Mövenpick, buchen das Hotel nicht wegen der dezenten Swissness, sondern wegen der perfekten Lage – direkt beim Hauptbahnhof Amsterdam, einen Katzensprung von der Innenstadt entfernt und mit Blick auf die ein- und auslaufenden Kreuzfahrtschiffe. DZ ab 180 Euro, moevenpick .com

Der Schlaf in der Koje ist friedlich. Von den vielen Stopps des Zuges, der auch ein IC ist, bekommt man wenig mit. Hier ein Ruckeln bei der Fahrt über Bahnhofsweichen, dort eine ferne Lautsprecherstimme und am Morgen das energische Klopfen der Nachtstewardess. Während draussen Windmühlen, schwarz-weiss gefleckte Kühe auf fetten Weiden und Kanäle vorbeiziehen, tönt es: «In einer guten Stunde treffen wir in Amsterdam ein, gleich bringe ich das Frühstück.» 

Die Reise wurde unterstützt von den SBB und dem Mövenpick Hotel Amsterdam City Centre .